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In welcher Welt willst du leben?

Meine These: Mit unseren heutigen Konsumentscheidungen gestalten wir unsere Zukunft. 

 

Die Wirtschaft, also alle Unternehmerinnen und Unternehmer in der Schweiz und auf der ganzen Welt, bieten Produkte und Dienstleistungen an, welche unsere Bedürfnisse stillen sollen. Die Nachfrage bestimmt das Angebot. 

Wir können das selbst beobachten: Erinnerst du dich noch, als im Warenhaus eines grossen Schweizer Detailhändlers die Regale der Kosmetikabteilung voll waren mit Produkten, die chemische Inhaltsstoffe aufwiesen? Wie ist es heute? Es gibt unterdessen eine grosse Abteilung mit Naturkosmetik. Die Markenvielfalt ist stetig gewachsen. Was ist da passiert? Bewusste Konsumentinnen und Konsumenten hatten begonnen mehr und mehr Naturprodukte zu kaufen. Die Nachfrage stieg, was den Detailhändler veranlasste, sein Sortiment auf die neuen Bedürfnisse seiner Kunden auszurichten. Umso grösser die Markenvielfalt wurde, desto spannender wurde das Sortiment, je mehr Konsument*innen wurden auf Naturkosmetik aufmerksam. Die Produkte überzeugten, sie wurden weiter gekauft und stärker auf Nachhaltigkeit geachtet. 

An diesem Beispiel sehen wir, dass wir Konsumentinnen und Konsumenten nicht machtlos einem System ausgeliefert sind. Die Wirtschaft bietet an, was wir nachfragen. Sonst haben die Unternehmungen keinen Erfolg. 

 

Es scheint ein Konsens in der Gesellschaft darüber zu herrschen, welche Produkte heutzutage "gut" sind. Dabei steht Nachhaltigkeit im Fokus. Bei Lebensmitteln heisst das regionale (Bio-) Produkte einzukaufen. Bei Produkten für den täglichen Gebrauch gilt: Bio, Fairtrade, Plastik frei, recyclebar usw. Je nach Kaufkraft können wir unser Bedürfnis nach nachhaltigem Konsum besser oder schlechter befriedigen. 

 

Das Portemonnaie spielt eine Rolle, ganz klar. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass - um beim Beispiel Naturkosmetik zu bleiben - es nur eine Frage der Zeit ist, bis nur noch Naturprodukte verkauft werden. Es wird zum neuen Kosmetik-Standard, wobei sich der Preis tiefer als heute einpendeln wird. 

 

Wir sind nicht wehrlose Konsumgeschöpfe. Es braucht einfach seine Zeit und eine bestimmte Menge Nachfrager, damit der Effekt unserer Konsumentscheidungen sichtbar wird. 

 

Diese Tage denke ich viel darüber nach, wie ich Dienstleistungen meinen Werten entsprechend konsumieren soll. Es geht vor allem um Kommunikation. Welche Apps, Messengers, Plattformen, Sozialen Netzwerke soll ich nutzen? Welche Auswirkungen könnten meine heutigen Konsumentscheidungen in Zukunft haben? 

 

Folge ich meiner Logik, gestalten wir heute unsere Zukunft dadurch, welche Angebote wir nutzen. 

 

Zwei Zukunftsszenarien

Ich weiss nicht, ob meine Zukunftsszenarien, die ich im Folgenden skizziere, zutreffen werden. Aber sie beeinflussen meine heutigen Konsumentscheidungen.

 

Zukunftsszenario 1:

Ich nutze für meinen Konsum hauptsächlich globale Plattformen: Ich kaufe bei Amazon ein, wohin ich über Affiliate-Marketing auf Instagram geleitet wurde. Medien konsumiere ich über Facebook, wo mir der Algorithmus die Informationen zeigt, die zu meinem Nutzerverhalten passen. Auf Youtube schaue ich mir Videos zur Unterhaltung und zur Information an und auch hier werden mir aufgrund der gesammelten Daten weitere Videos vorgeschlagen, die mir gefallen könnten. 

Nach und nach lebe ich in meiner eigenen Konsumbubble, wo es nur noch rote Hosen, Baumwoll-T-Shirts aus nachhaltiger Produktion, Science Fiction-Videos, Metal-Musik und Beiträge zur Sharing Economy gibt. Alles ist Teilen, Kaufen ist out, Fliegen ist Teufelswerk und die Erde eine Scheibe. 

So sieht meine Realität aus. 

Die Künstlichen Intelligenzen, die auf den Plattformen im Einsatz sind, kümmern sich rührend um meine Bedürfnisse. Heute bestellt, morgen im Briefkasten. Alle meine Wünsche werden im Nu erfüllt. Kein Warten, keine mühseligen Sehnsüchte mehr. Z. weiss genau, welcher Pulli in meinem Kleiderschrank fehlt, damit ich für jedes Treffen mit Mitmenschen gut ausgestattet bin. Meine Kaffeemaschine bestellt automatisch die Kaffeebohnen nach, wenn sie ausgehen. Mein Kühlschrank meldet meiner Einkaufsapp, wenn Milch fehlt. 

Kaum betrete ich meine Wohnung, geht das Licht an, der Fernseher stellt die neuesten Nachrichten ein und mit einem Fingerschnipp wechsle ich auf meine S.-Playlist. 

 

Ein wahnsinnig bequemes Leben! Ein wahnsinnig bequemes Leben? Ich weiss nicht. Schauen wir uns Zukunftsszenario 2 an. 

 

Zukunftsszenario 2:

Mein Leben spielt sich auf lokalen Plattformen ab. Hier bin ich mit Menschen vernetzt, die in der gleichen Region wohnen. Es gibt Gruppen für gemeinsame Interessen. Hier finde ich neue Freunde, diskutiere die aktuellen Abstimmungsthemen der Gemeinde, des Kantons und des Bundes. Ich höre verschiedene Meinungen. Mein Feed wird nicht von einem Algorithmus zusammengestellt, sondern ich sehe alle Beiträge meiner Freunde chronologisch. Keine Werbung lenkt mich ab und leitet mich auf Einkaufsplattformen, wo ich Geld für Dinge ausgebe, die ich eigentlich nicht brauche. 

In einer Diskussion sprechen wir über die neuesten technischen Errungenschaften und ich schaue mir auf einer Videoplattform dazu ein Video an. Dort werde ich weitergeleitet zum Urheber des Videos. Auf dessen Webseite erhalte ich einen Einblick in die Erfindung, in die Produktionsprozesse, die Werte des Unternehmens. Ich entscheide mich, das Produkt zu kaufen, nach dem ich auf dem gleichen Weg Konkurrenzprodukte verglichen habe. 

 

Ein wahnsinnig anstrengendes Leben! Ein wahnsinnig anstrengendes Leben?

 

Ja, es stimmt, ein selbstbestimmtes, freies Leben ist anstrengend. Die heutigen technischen Möglichkeiten sind unglaublich bequem. Aber will ich wirklich nur noch rote Hosen tragen? 

 

Es ist eine simple Frage und die Antwort müsste eigentlich genauso simpel sein. Ist sie aber nicht. Wie entscheidest du dich?

 

Nicht die Technologie ist das Problem.

Nicht die Plattformen sind das Problem. Wir können und wollen nicht zurück ins Jahr 1989, als das Internet noch nicht da war. Es ist toll, dass wir so vernetzt sind, global denken und dadurch viel mehr Verständnis für andere Kulturen aufbringen. Es ist super, dass die Technologien genutzt werden können, damit wir effizienter und effektiver sein können, dass Produktionsprozesse automatisiert werden und Roboter Arbeiten erledigen, die sie besser und präziser ausführen können als wir.

Ich bin davon überzeugt, dass technische Innovationen viele Probleme dieser Welt lösen werden (mehr dazu auf dem StartUp-Blog von wirtschaftverstehen.ch). 

Die Technologien, die Algorithmen, die Plattformen, das Internet, die KI. Sie sind nicht das Problem. Das Problem ist, dass wir die Technologien nutzen, ohne darüber nachzudenken, wie unser heutiges Konsumverhalten die Zukunft beeinflusst.

Es stellen sich aktuell sehr wichtige Grundsatzfragen. Jeder von uns, der ein verantwortungsvoller Konsument, eine verantwortungsvolle Konsumentin sein will, sollte sich diese Grundsatzfragen stellen und beantworten. In welcher Welt willst du leben?

 

 

Mehr zur Plattform-Ökonomie HIER.

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