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Fröhlich, traurig, aufgeregt und wütend

Wie Musik Kindern helfen kann mit Gefühlen umzugehen

 

Ihr Kind übt das Fahrrad fahren. Es fällt hin. Auf das Knie. Das Knie ist aufgeschürft, es blutet leicht. Ihr Kind weint. 

Aus welchen Gründen weint es? Weint es, weil das Knie weh tut? Weint es, weil es hingefallen ist? Weil es noch nicht so gut klappt mit dem Fahrrad fahren, wie es gerne möchte?

 

Was tun Sie als Mutter, als Vater? Nehmen Sie Ihr Kind in den Arm? Trösten Sie es? Ermuntern Sie es, sofort wieder aufs Fahrrad zu steigen? Singen Sie eventuell ein Lied?

 

Vielleicht tun Sie alle diese Dinge gleichzeitig. Ich singe jeweils "Heile, heile Säge", wenn mein Kind ein "Bobo" hat. 

Das Singen tröstet, es unterstützt die liebevolle Umarmung. Es gibt Kraft wieder aufzustehen und weiter zu üben. Es hilft mit den Gefühlen, mit denen das Kind in diesem Moment konfrontiert wird, umzugehen. 

 

"Was hat das Liedersingen - die älteste musikalische und universelle kulturelle Praxis - mit Affektregulation zu tun?" fragt Stefanie Stadler Elmer in ihrem Buch "Kind und Musik - Das Entwicklungspotenzial erkennen und verstehen". Wie hilft Musik, unsere Gefühle zu regulieren?

Ich gestern im Auto mit meinen beiden Kindern. Auf dem Weg zu einer Freundin mit drei Kindern. Zwei Erwachsene mit 5 Kids werden gemeinsam den Nachmittag verbringen. Normalerweise freue ich mich sehr, wenn ich meine Freundin treffe. Aber gestern? Ich war müde, prämenstruell bedingt schlecht gelaunt und total lustlos. Am liebsten hätte ich mich auf dem Sofa in meine Lieblingsdecke eingemummelt. Plötzlich läuft eines meiner Motivationslieder im Radio. Das Lied erinnert mich an kraftvolle Momente. Es tröstet mich. Es ermuntert mich weiterzumachen. Meine Laune besserte sich schlagartig und es wurde ein gemütlicher Nachmittag für alle. 

 

"Die einzelnen Liedgattungen bieten den funktionalen Gebrauch geradezu an - Schlaflieder zur Beruhigung, Spiellieder zur Aktivierung, Geburtstagslieder als rituelle Unterstreichung von etwas Besonderem, Jahreszeitenlieder zur Erzeugung von Stimmung und so weiter. Kinder erfahren dabei spezifische Gefühlszustände und werden befähigt, selbst solche Handlungen zu vollziehen, um die eigenen Emotionen und Stimmungen zu regulieren." (Stadler Elmer, S. 16)

Stadler Elmer macht ein Beispiel: Die kleine Anna singt ihre Puppe in den Schlaf mit Liedern, die ihre Eltern ihr zum Einschlafen vorsingen. "Solches Als-ob-Spiel zeugt vom Gebrauch kultureller Mittel zur Affektregulation. (...) Sie führen hin zu Fähigkeiten und Fertigkeiten, die der erwachsene Mensch als gestalterische Mittel einsetzen kann, um Gefühlszustände nicht nur auszudrücken, sondern sie schöpferisch auch zu überwinden, sich von ihnen zu distanzieren, sie zu meistern und symbolisch darzustellen." (Stadler Elmer, S. 16)

Ich habe heute als erwachsener Mensch die Fähigkeit meine Gefühle mittels Musik zu verändern. Ich kann mich mit Hilfe der Musik motivieren oder auch ablenken. Sportler nutzen Musik, um sich vor einem Spiel oder Rennen zu pushen. Musik kann einem vor einem öffentlichen Auftritt beruhigen. Ich kann eine Geburt mit Hilfe von Musik besser durchstehen. Ich kann mit der Musik im Rhythmus atmen. Sie bringt mich in meine Mitte zurück. 

Setzen Sie sich doch mal hin und lauschen Sie in sich hinein: Was brauchen Sie gerade? Innere Ruhe, Frieden, Motivation, Kraft? Welches Lied könnte Ihnen helfen, in die richtige Stimmung zu kommen? 

 

Wie hilft Musik nun meinen Kindern mit Gefühlen umzugehen?

Kleinkindern sind ihre Gefühle noch nicht bewusst. Sie sagen (noch) nicht: "Ich bin wütend!" Sie weinen. Sie schlagen um sich. Sie trotzen. Sie verstecken sich oder kuscheln mit ihrem Lieblingsplüschtier und schmollen. Nun singe ich ein beruhigendes Lied. Das Kind wird ruhiger, sein Atem wird langsamer, das schnelle Herzklopfen vergeht. Das Kind lernt, dass es sich mit diesem bestimmten Lied beruhigen kann, wenn es wütend ist. 

Musik ist auch ein hervorragender Motivator. Alltägliche Rituale begleite ich deshalb mit Liedern. Sei es das Hände waschen vor dem Essen, das Zähneputzen nach dem Essen, das Aufräumen am Abend, das Pyjama anziehen, das Einschlafen. Die Musik hilft uns einfach zu tun, was notwendig ist, auch wenn es nicht so grossen Spass macht. Meine Tochter, voll im Trotzalter, lässt sich mit einem Lied gut motivieren, während sie ohne Lied "Nein!" schreit. Für mich war Musik schon häufig DAS Wundermittel. Dabei werden Lieder kaum als Erziehungshilfsmittel wahrgenommen. Aber das sind sie! 

 

Welche Erfahrung haben Sie mit Liedern, die Ihnen die Erziehung vereinfachen? Welche Lieder haben überhaupt eine "Erziehungsfunktion"? Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie Ihre Erfahrung mit uns teilen. 

 

Quellennachweis:

Stefanie Stadler Elmer "Kind und Musik - Das Entwicklungspotenzial erkennen und verstehen", Springer Verlag Berlin Heidelberg 2015. Mehr HIER.

 

PS: Das Team von babykonzert.ch Klassische Konzerte für Kleinkinder hat ein wundervolles Programm zum Thema "Gefühle". Schauen Sie selbst: 

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